Halluzinogen  Das Romanexperiment

 

Kurzbeschreibung: Hagen, ein junger Mann, der seinen Lebensunterhalt als Kartenleger verdient, sieht auch sonst, was anderen unsichtbar ist : seine Freundin Linda, die ihn seit Kindertagen verfolgt und ihn nicht in Ruhe lässt.

Halluzinogen ist im Kurs "Schreibwerkstatt" des Euregio-Kollegs Würselen als Experiment und Gemeinschaftsprodukt von 22 Autoren unter Leitung von Birgit Bodden entstanden. Im zweiten Teil hat sie Konzept und Methoden dieses Projektes dokumentiert. 

  • Broschiert: 236 Seiten
  • Verlag: Books on Demand Gmbh; Auflage: 1., Auflage (8. Februar 2010)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3839153433
  • ISBN-13: 978-3839153437

http://www.amazon.de/Halluzinogen-Literaturwerkstatt-Euregio-Birgit-Bodden/dp/3839153433




Textprobe:

 

 

Schöpfungsakt

 

Obwohl niemand von uns Hagen je zu Gesicht bekam, hat er doch eine Weile unter uns gelebt und lebt vielleicht sogar heute noch mit uns. Er hat eine Zeit unser Denken bestimmt, unser Schaffen in bestimmte Bahnen geleitet und uns viele Stunden beschäftigt.

 

Es war an einem Tag im letzten Sommer, als er unvermittelt zu uns kam.

Wir kannten seinen Namen nicht, hatten bloß ein vages Bild seiner Existenz und doch begann er sich von Anfang an in unseren Köpfen einzunisten, wie ein Splitter, der plötzlich in der Haut steckt, und den man nicht einfach so wieder verliert.

 

Wie soll man jemanden beschreiben, den man nicht kennt, von dessen Existenz nie jemand gehört hat?

Nun, wir trugen unsere Vermutungen zusammen, die äußere Erscheinung, Alter oder Bildung betreffend: 28 Jahre, Gewicht ca. 80 kg bei einer Größe von 1,93m und Schuhgröße 43, seine Haarfarbe ist rotblond, möglicherweise hat er ein Alkoholproblem. So stellten wir ihn uns vor.

Nach seinem Fachabitur begann er ein Studium der Sozialen Arbeit an der Katholischen Hochschule Köln, welches er jedoch nach kurzer Zeit abbrach.

Heute verdingt er sich als Kartenleger beim Call-In-Sender 9Live.

 

Sein größter Wunsch wäre es, endlich einmal den Respekt seines Vaters erfahren zu können.

 

Das ließ uns aufhorchen, das war interessant, wenngleich auch nicht außergewöhnlich. Die fehlende Anerkennung des Vaters - das liefert immer einen brauchbaren Stoff für dramatische Entwicklungen, in Romanen, in Filmen und im wirklichen Leben. Wird es dem Helden vergönnt sein, den Vater zu beeindrucken, werden Vater und Sohn sich in unvereinbar gegensätzlichen Charakteren gegenüber stehen bleiben, wird der Sohn, wird Hagen seinen eigenen Weg finden? Das sich wie eine offene Wunde andeutende Innenleben interessierte uns wirklich. Und gleich schon zeichnete sich ein bemerkenswerter Persönlichkeitszug ab.

 

Hagen litt an merkwürdigen Vorstellungen. Seit seiner Kindheit war er der Überzeugung, eine Freundin an seiner Seite zu haben, die ihn auf Schritt und Tritt begleitete, die allerdings nur ihm selbst wahrnehmbar war. Hagen ging in seinem Wahn soweit, sich in der gleichen Weise wie diese Freundin tätowieren zu lassen und er fuhr ausschließlich Tandem.

 

Wir wussten gleich, dass der junge Mann sich offenbar aus problematischen Dispositionen an diese Freundin kettete, sie aus Gründen nötig hatte, die sich uns nicht gleich erschlossen, denen wir aber nachzuspüren uns anschickten, nicht zuletzt um Hagen Beistand zu leisten. Denn offenbar setzte er sich durchaus kritisch mit dieser Freundin auseinander. Als wir begannen ihn kennen zu lernen, war Hagen in psychotherapeutischer Behandlung, um sich von Linda, so hieß sie, lösen zu können.

 

 

Lluzi – Linda

 

Vorerst kannten wir aber weder seinen Namen, noch den der Freundin. Die unterschiedlichsten Mutmaßungen bezüglich ihres Namens kursierten. Manche nannten sie Lilian oder Lucie, Lana oder Luscia, auch Lisa oder Linda hätte sie heißen können Wir wussten lediglich, dass der junge, 28 jährige Mann sich offenbar um Anerkennung mühte und seine Situation reflektierte, ohne sich allerdings zu einer Lösung durchringen zu können; denn obwohl er mit psychologischer Unterstützung das Wiedererscheinen dieser Freundin aus der Kindheit bekämpft, geht er doch im Anschluss an die Therapiestunde in eine Eisdiele, um dort mit Linda zu plaudern. Lars war der erste, der uns näheren Einblick in Hagens Lebenssituation gewährte und der uns auch mit dessen Namen vertraut machte:...

 

©Birgit Bodden